the flashbulb – cloud shadows

Es gibt Momente im Leben, an die man sich vermutlich sein Leben lang erinnern wird. Seit dem 24.02.2022 ist so ein Moment. Und damit ich nie vergesse, wie das war, schreibe ich die Dinge auf. Für mich.

Die Nachrichten waren die letzten Wochen voll damit, dass immer mehr russiche Truppen an die Grenze zur Ukraine stationiert werden, aber an einen Krieg hat so wirklich niemand geglaubt. Drohungen, Einschüchterung und was es nicht alles sein sollte. Und dann ging alles ganz schnell. Donnerstagmorgen, Nachrichten: Putin genehmigt Militäreinsatz in der Ukraine. Nicht irgendwo im Land, sondern im gesamten Land. Krieg in Europa.  Seitdem lese ich bestimmt 5 Stunden täglich in sämtlichen Newsfeeds auf Tagesschau, Twitter, Reddit und Co. über mögliche Entwicklungen. Übertrieben? Bestimmt. Mich beschäftigt das Thema sehr, ich muss oft daran denken.

Zurück zum Donnerstagmorgen. Es war ein schöner sonniger Tag. Eine Seltenheit der kalten und stürmischen 3 Wochen, die diesem Tag vorausgingen. 13 Grad, eine leichte Briese, schon beim Aufstehen konnte man Vogelgezwitscher hören. Ein schöner Tag, aber für Ende Februar natürlich viel zu warm. Der Klimawandel macht sich mehr und mehr bemerkbar. Seit Mitte Januar kein Schnee. Wie täglich zu dieser Zeit besuchte ich Laura, die zu diesem Zeitpunkt schon mehr als eine Woche in Isolation war. Corona, nach 2 Impfungen + Booster, nicht schön. Aber Omikron interessiert das nicht. Die Symptome halten sich in Grenzen, das ist wiederum etwas Gutes. Wir waren spazieren – mit Abstand natürlich – und haben viel geredet, wie immer. Nur, dass es dieses Mal nur um ein Thema ging. Und auch um die Frage, wie sich unser Leben verändern wird. Ein Ob, das stand für mich nicht im Raum.

Der Himmel leuchtet am ersten Abend des Krieges feuerrot über Markt Indersdorf.

Ich schreibe diesen Text Sonntagabend, am 4. Tag nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. So viel ist passiert an diesen vier Tagen. Vorgestern haben wir noch darüber diskutiert, ob man Russland vom Zahlungssystem SWIFT ausschließen sollte und nun ist es (in abgeschwächter Form) bereits beschlossene Sache. Und noch mehr. Der gesamte EU-Luftraum wird für Russland gesperrt, der Finanzsektor und alle Banken sanktioniert, Putin als Präsident selbst steht auf der Sanktionsliste. Das Staatsoberhaupt eines der größten Länder der Welt, das muss man sich mal vorstellen.

Und nicht nur das. Deutschland hat einen mutigen Schritt getan und sich womöglich gelöst von seinen selbst auferlegten Einschränkungen, die vor allem das Schuldgefühlen der vergangenen zwei Weltkriegen bedingt, und seinem Wunsch und der Hoffnung, dass Deutschland keine Waffen mehr in Kriesengebieten schicken muss oder das diese gar wieder auf russische Truppen feuern könnten. Umso mutiger war der Schritt, sich gegen die Aktion von Russland zu stellen und ganz offen zu kommunizieren, dass Deutschland „eine Zeitenwende in der Geschichte des Kontinents“ erlebt und dementsprechen ein Umdenken stattfinden muss. „Ein Angriff auf die Freiheit aller Demokratien ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen“. Und Olaf Scholz kommunizierte öffentlich per Twitter und nicht etwa im heimlichen, dass Deutschland Waffen an die Ukraine schicken wird, damit diese sich verteidigen kann. Aus der historischen Betrachtung Deutschlands heraus ein großer Schritt. Der wohl leider nötig scheint. Wie auch der Schritt der EU, das erste Mal seit ihres Bestehens tödliche Waffen für die Kriegspartei (auch wenn die Ukraine das unverschuldet geworden ist) zu finanzieren.

Das alles wird aber auch Konsequenzen für uns haben, so realistisch muss man sein. Davor darf man nicht die Augen verschließen. Wie stehe ich zu dem, was mir droht? Bin ich bereit dazu, für diese Gerechtigkeit auf einen womöglich nicht unsignifikanten Teil meines Wohlstandes zu verzichten? Für mich war die Frage sofort beantwortet: Ja, bin ich. Und ich würde das nicht daran festmachen, dass ich ein sorgenfreies Leben führe ohne finanzielle und existentielle Sorgen. Denn meistens haben solche Leute viel mehr Angst, ihren Lebensstandard aufzugeben. Es ist vielmehr so, dass diese ganze Sache für mich eine riesengroße Ungerechtigkeit darstellt. So etwas kann man nicht durchgehen lassen, so etwas darf man nicht durchgehen lassen. Wenn man dem nicht Einhalt gebietet, wie geht es dann weiter? Wer ist der Nächste?

Vor knapp einer Stunde wurde verkündet, dass Russland die atomaren Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat und ich übertreibe vermutlich nicht, wenn ich sage, dass ein Atomkrieg nach der Zeit des kalten Krieges noch nie so nah war wie jetzt. Habe ich Angst? Ja, das habe ich. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich das tatsächlich. Meine Geliebten womöglich nie wieder sehen zu können, keine Zeit mehr mit ihnen verbringen zu können, all die schönen Momente und Erinnerungen, die das Leben so lebenswert machen.

Aber es gibt Dinge, für die lohnt es sich zu kämpfen. Und auch wenn man nur Aufmerksamkeit zeigt. Zeigt, dass die Dinge gesehen werden, ist jeder Beitrag ein wichtiger Beitrag für unser aller besseres Leben. Und das wollte ich heute auf der Demo auf dem Max-Joseph-Platz in München festhalten. Trotzdem habe ich Angst und mache mir Sorgen.