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Mein erster Halbmarathon mit offensivem Pacing – Regensburg Halbmarathon 2017

Und was bedeutet nun „Pacing“ und warum offensiv statt defensiv?

Das Pacing: Um eine Wettkampfdistanz wie beispielsweise die 21,1km des Halbmarathons möglichst erfolgreich bewältigen zu können, muss man seine Geschwindigkeit und damit auch seinen Energieverbrauch einteilen. Würde man nämlich von Anfang an alles geben, würde man nur wenige 100 Meter weit kommen. Würde man nur langsam im „Wohlfühl“-Tempo laufen, dann würde man zwar mit großer Sicherheit ins Ziel kommen, aber man hätte auch das Potential einer besseren Endzeit verspielt, weil man noch Energie übrig gehabt hätte. Pacing ist die Festlegung auf eine Geschwindigkeit, welche man im Wettkampf läuft und stammt von dem Begriff Pace (=Kennzahl, welche ausdrückt, welche Zeit man für eine bestimmte Strecke, z.B. einen Kilometer, benötigt). Defensives Pacing bedeutet, dass man ein Tempo so wählt, dass man mit ziemlicher Sicherheit ins Ziel kommt, während man bei einem offensiven Pacing ein Tempo wählt, wo man nicht wirklich sicher sein kann, ob man es bis zum Ziel durchhält oder ob man während dem Rennen einen (Leistungs-)Einbruch hat, was zu langsameren Laufzeiten oder gar zum vorzeitigen Rennabbruch führen kann. Go Big or Go Home.

Warum ich mich für ein offensives Pacing entschieden habe:

Ich bin die Wettkampfdistanz dieses Jahr bereits 4 Mal im Training gelaufen und mit meiner diesjährigen Laufleistung bin ich auch ganz zufrieden:

Damit hatte ich eine gewisse Sicherheit, die Distanz zu schaffen. Nur leider kann man von dieser Sichtheit nicht auf die zu wählende Geschwindigkeit schließen. Die Entscheidungsfindung, welches Tempo ich nun wirklich laufen soll, war etwas kompliziert, denn ich befinde mich aktuell noch in der Grundlagenphase des Trainingsjahres, was bedeutet, dass man viele (aber nicht nur) Trainingseinheiten mit niedriger Intensivität, also im Grundlagenbereich 1, macht, wo man fast jederzeit im sogenannten Steady-State trainiert, also einem Zustand, in der die Laktakt-Produktion die Laktat-Abbaurate nicht übersteigt. Ziel dieser niedrig-intensiven Trainingseinheiten ist es, den Fettstoffwechsel zu trainieren. Bei steigender Intensität leistet der Fettstoffwechsel immer mehr, bis er 100% Leistung erreicht hat und die Trainingseinheiten im Grundlagenbereich sollen die 100% Leistungs-Grenze nach oben verschieben. Sämtliche Energie, welche darüber hinaus benötigt wird, wird durch den Kohlehydrate-Stoffwechsel bereitgestellt. Nur genau diesen habe ich (mit Absicht) bisher noch nicht wirklich trainiert, was sich dann im Körper so darstellt, dass beispielsweise der Laktat-Transport durch die Muskelzellen, etc. noch nicht so richtig trainiert ist. Daher hatte ich auch keine wirklichen Anhaltspunkte für mein Pacing, da ich diese schnelleren Sachen eben in dieser Saison noch nicht trainiert habe. Entschieden habe ich mich dann für einen Negativ-Split, also die erste Hälfte langsamer in 05:20min/km und die zweite Hälfte schneller in 05:00min/km. Doch es sollte anders kommen..

Die Tage vor dem Halbmarathon

Donnerstag Abend, Grillen auf meinem Balkon und ja, ich bin ein Depp und lerne es wohl nie. Wir saßen lange draußen, es wurde kälter, ich habe langsam immer mehr gefroren, aber gleich wärmer anziehen? Ach, so kalt ist es nicht. Die Rechnung kam am nächsten Morgen: Leichtes Kratzen im Hals. Und wenn sich wer wundert, warum ich bzw. generell viele Ausdauersportler da so anfällig sind: Um das Immunsystem zu stärken, reichen 3-4 Stunden Training. Aber eben nicht pro Tag, sondern in der gesamten Woche. Da bin ich bei meinen 8-10 Trainingsstunden pro Woche leicht drüber und alles über diesen 3-4 Stunden pro Woche schwächt das Immunsystem sehr, insbesondere direkt nach Trainingseinheiten, so am Donnerstag nach der Radfahrt. Also zurück zur leichten Erkältung. Der Albtraum, es war einfach so typisch.. Also strikte Bettruhe am Freitag nachmittag und beten, dass es besser wird. Am Samstag war es dann nicht wirklich besser, immerhin konnte ich auf einer Hochzeit als Gast weiteren Stress für den Körper vermeiden, aber wirklich besser wurde es nicht. Die Halsschmerzen wurden weniger, dafür kam aber der Schnupfen. Ohwe. Mit Hoffen und Bangen sind Stefan und ich dann Samstag Abend nach Regensburg gefahren. Stefan kam einerseits als Begleitung zum Anfeuern mit und zum anderen als „Notfallplan“, falls ich nicht laufen könne.

Um kurz nach 21 Uhr haben wir uns mit Nina, welche auch beim Halbmarathon an den Start ging, bei Kathi ihrer WG in Regensburg getroffen. Unverschämt, wie braun man jetzt schon sein kann, nicht war Nina? Nächstes Jahr muss ich unbedingt auch ins Trainingslager!

Der Morgen des Halbmarathons

Aufgewacht, leichte Nackenschmerzen, etwas Schnupfen, leichte Halsschmerzen, ach, geht schon. Mein Notfallplan, dass Stefan für mich starten müsse, kam nicht zum Zug. Mein ursprünglicher Lauf- und Tempoplan aber auch nicht, da ich mich einfach nicht so fit gefühlt habe, als dass ich meine volle Leistung hätte abrufen können. Also war der Plan, einfach mal an den Start gehen und dann schauen wie es läuft und notfalls abbrechen. Gefrühstückt habe ich ein kleines Vollkornbrot mit Nutella, da ich – natürlich – vergessen hatte, Frühstück mitzubringen. Ach ja, Abendessen hab ich quasi auch vergessen bei der Fahrt nach Regensburg. Super Vorbereitung, nicht. Wir sind mit Shuttle-Bussen zum Infineon-Gelände gefahren, denn dort war der Start- und Zielbereich. Organisiert war alles super, es gab kein Gedrängel oder sonstiges und nach wenigen Minuten hatten wir unsere Startunterlagen mit Chip und Startnummer in der Hand. Unsere Laufbeutel mit privaten Sachen haben wir schnell abgegeben, was sich später noch als kleines Problem herausstellen sollte.

Der Halbmarathon

Kurz vorm Start brannte die Sonne schon sehr herunter, so dass ich bereits vor dem Start ziemlich Durst hatte und natürlich habe ich meine Energiegels auch nicht dabei gehabt, da ich diese bereits im Beutel mit den privaten Sachen abgegeben habe. Aber eher aus organisatorischen Gründen, meine Laufhose hatte keine Taschen.. also das nächste Mal doch im Triathlon-Einteiler starten!

Startschuss, wie immer das übliche: Alle laufen genau 2 Meter los, bleiben dann abrupt wieder stehen, spazieren bis zur Startlinie und erst dann wird langsam losgejoggt. Was ich sehr angenehm empfand, war die Tatsache, dass ich beinahe von Anfang an in meinem Tempo laufen konnte, ich wurde kaum überholt oder musste überholen, was sehr angenehm ist, da man so flüssig laufen kann und keine Energie durch Abbrems- und Überholvorgänge verschwenden muss. Die Streckenführung war wirklich sehr schön und ging durch die Regensburger Innenstadt:

Die Kilometer nahmen ihren Lauf, ich habe mich ganz wohl gefühlt und versucht, irgendetwas zwischen 05:10 und 05:25 Minuten pro Kilometer zu laufen. Etwas überrascht hat mich der erste Getränkestand, der 500 Meter zu früh kam und es plötzlich so voll und eng wurde, dass man kaum etwas zu trinken bekam. Daher gab es nur 2 Becher Wasser, weiter geht es. Ab Kilometer 5 fängt man immer an zu rechnen.. gleich hab ich schon 1/4 geschafft, dann 1/3 etc, nur die Hitze wurde immer schlimmer. Ich habe versucht, jeden Schatten unter Bäumen oder bei Hauswänden mitzunehmen, den es gab, denn ein großer Leistungsbegrenzer ist eine erhöhte Körperkerntemperatur. Meine Taktik dagegen war pro Versorgungsstation 4 Getränke über Kopf und Körper, um die Haare und die Kleidung zu durchnässen und 1-2 Becher zu trinken. Hier muss man etwas flott sein, erst mit jeder Hand 2 Becher nehme, diese gleich drüber kippen und dann zwei weitere Becher zum trinken. Und ja nicht stehen bleiben. Das habe ich nämlich bei der zweiten Station gemacht. Ein großer statt viele kleine Schlücke und schon hatte ich Probleme im Bauch, weil es so rum geschwappt ist. Aber das war schnell wieder vergessen, wenn man Freunde an der Strecke hat, die einen anfeuern! Danke an euch, Stefan und Kathi! 🙂

Ein ganz besonders schönes (Achtung Ironie) Highlight war die Continental Teststrecke. Es fing damit an, dass einem irgendwann die ersten Läufer und dann immer mehr entgegen kommen. Da rechnet man damit, dass es bald einen Wendepunkt gibt und bei folgendem Bild war ich tatsächlich voller Hoffnung, dass dieser nur noch wenige hundert Meter entfernt ist:

Bild von www.marathon4you.de

Bild von www.marathon4you.deAber nichts da, die entgegenkommenden Läufer hatten bereits ein paar Kilometer statt ein paar hunderte Meter mehr in den Beinen. Denn zuerst kam einmal ein 3 spuriger Autobahn-ähnlicher Rundkurs. Dunkler glühender Asphalt, die Sonne brennt von oben runter, kein Trinken, kein Schatten, kein gar nichts außer du gegen die Sonne. Das war echt ekelhaft!

Quelle: www.marathon4you.de

Zurück ging es, dank der Mittagszeit mit immer weniger Schatten, nur sehr mühevoll und ich merkte langsam, dass die Kräfte nachlassen. Ich trank zwar genug, aber irgendwann waren die Kohlenhydratespeicher einfach leer und ohne KH von draußen in Form von Gels, etc. geht dann nicht mehr sonderlich viel. So kam es dann wie es kommen müsste, ab Kilometer 18 war die Luft raus, was man auch gut an den Rundenzeiten erkennt, ich bekam einfach kein Tempo mehr rein:

Wenn es gar nicht mehr gut geht, dann ist man ja immer hin- und hergerissen zwischen einfach stehen bleiben im Schatten, gehen statt laufen oder sich doch durchquälen. Das habe ich dann irgendwie auch geschafft. Ab KM18 hab ich in 500m Meter Schritten heruntergezählt, ab KM20 dann quasi in 100m Schritten. Und dann hatten wir KM 20,5 und plötzlich zeigt das Streckenschild erst 20km an. Na toll, da hat die GPS-Uhr falsch gemessen und ich habe doch noch weiter zu laufen als gedacht. Das war an diesem Tag bestimmt nicht nur für mich fast zum heulen. Ein wirkliches Highlight kurz vorm Ende war der Lauf durch die Altstadt, Absperrungen und sehr viele Menschen links und rechts, die einem zujubeln! Das hat mich dann irgendwie über den Kilometer 20 gerettet und dann war es nur noch etwas über 1 Kilometer.

Ich hatte gar keine Motivation mehr, irgendwie schnell zu laufen, hab mich an einen Marathonläufer namens Chris gehangen und bin dem hinterher getrottet. Bei der letzten Kurve vor dem Ziel haben mich dann Kathi und Stefan nochmal angefeuert und irgendwas mit Schluss-Sprint gerufen. Na gut, hilft ja nichts, habe ich noch irgendwie versucht und es wurde noch ein 4er Schnitt auf den letzten paar 100 Metern..

Man achte besonders auf meinen schönen Fußaufsatz beim sprinten (Ja, auch das ist Ironie). Aber was solls, das Ding war endlich vorbei und es gab eine neue Halbmarathon Bestzeit. 1:52:33 für 21,1km oder umgerechnet 5:16min/km:

Kurze Zeit später kam Nina, ebenfalls mit neuer Bestzeit, ins Ziel.

Nach dem Rennen…

das übliche. Ganz viel atmen, nicht „sterben“, dann irgendwie erst zum Trinkwasser retten, da 10 Becher trinken, danach 5 Becher Cola und dann irgendwie noch 1-2 Melonen essen. Ich war so kaputt, dass ich mich draußen erstmal auf die Wiese gesetzt habe in der Hoffnung, Stefan und Kathi finden mich schon irgendwie.. hihi.

Fazit:

Sehr schöne Strecke, auch wenn das Kopfsteinpflaster (insg. ca 1,5km) nicht so super für die Füße war. Aber dafür war die Stimmung wirklich super. Es gab ca. 4-5 Bands, die richtig mit Zelt, etc. gespielt haben und – was mich persönlich sehr gefreut hat – wie die Bewohner den Läufern beistehen wollten. Es gab Abkühlung mit dem Gartenschlauch oder Bewohner aus dem 4. Stock, die im Fenster saßen und Gitarre für die Läufer gespielt haben. Da tat es mir fast Leid, dass ich am Ende keine Kraft zum Applaudieren oder Daumen-Hoch zeigen mehr hatte. Hier könnte ich mir irgendwann auch mal einen Marathon vorstellen.

Dafür ging es am Abend noch an den See, den Tag ausklingen lassen!